Versöhnlicher Jahresrückblick
Was war nur dieses Jahr alles los? OK, es sind noch ein paar wenige Tage bis 2014, aber ich möchte dennoch schon mal nen Jahresrückblick wagen:
Letztes Jahr an Heilig Abend lag ich noch auf der Chirurgie in Ulm, wegen meiner Lungen-OP. Habe abends dann mit Eislingen (Schwester mit Familie + Muttern) telefoniert. War das erste Mal, dass wir Weihnachten nicht zusammen verbracht haben. Danach schaute noch meine Frau Doktor im Zimmer vorbei und wir hielten einen weihnachtlichen Plausch. Zwei Tage später lag ich dann schon auf Intensiv, konnte nicht mehr schnaufen und hatte Eiter in der Lunge.
An Silvester (2012) war ich dann wieder auf Station und Matthias schaute am Abend vorbei und wir ließen uns Pizza ins Krankenhauszimmer liefern - sogar ne Flasche Bier ließ ich mir von dem Pizzamann reinschmuggeln ;-)
Dann ging es im Februar zum ersten Nachsorgetermin, AFP-Wert exorbitant hoch. Also wieder ne stationäre Chemo angesetzt, die Reha abgesagt (wäre im März gewesen) und auf zum Giftcocktail. Dieser verlief mit einigen Komplikationen, bekam Windpocken....also ab auf Isolierstation. Dort entließ ich mich dann zwei Tage eher wie von den Docs empfohlen, mußte ja schließlich verreisen! Es ging nach Boltenhagen, wäre da normalerweise in Reha gewesen und habe Birgit + Muttern ein Wochenende geschenkt, um mich dort oben in Reha zu besuchen. Für mich buchte ich schnell noch nen Flug und Zimmer nach, da es wunderbar in meine chemofreie Zeit gepaßt hätte - ohne Windpocken. Abends raus aus dem Krankenhaus und Morgens rein in den Flieger.
Am Montag ging es dann gleich wieder in die Uni-Klinik Ulm, mit gepacktem Koffer, da ich dort evtl. schon stationär zur Chemo aufgenommen werden sollte. Wurde ich zum Glück dann nun doch nicht und bekam einen neuen Termin für die Vorbereitungs-Chemo. Also wieder stationär für drei Tage rein, den Cocktail laufen lassen und dann wieder nach Hause.
Am Vorabend des zweiten Termines (diesmal ambulant), hatte ich starken Husten und Schnupfen. Also abends ab nach Ulm in die Notaufnahme, fünf Stunden dort vergnüglich auf ein Ergebnis gewartet und dann wieder nach Hause geschickt worden. Am nächsten Tag dann zur ambulanten Chemo eingerückt.
Dann kam mein Geburtstag, den ich im kleinsten Kreis "feierte". War ein schöner Abend, der mit Schüttelfrost und Fieber endete. Am nächsten Tag ging es wohin? Na logo: in die Notaufnahme nach Ulm. Dort durfte ich dann sogar auch stationär bleiben und wurde sechs Tage lang mit Antibiotika vollgepumpt.
Dann ab nach Hause, um sechs Tage später wieder stationär einzurücken, diesmal zur Hochdosis. Die Entscheidung, was gemacht wird, zog sich ein wenig hin und ich durfte wieder für ein paar Tage nach Hause, aber dann gab es die Empfehlung des Hauses: Hochdosis Chemo mit Stammzelltransplantation - in Zusammenarbeit mit Prof. Beyer aus Berlin.
Dann ging es los (insgesamt drei Zyklen):
Was soll ich sagen: war nicht sehr prickelnd das Ganze!!
Beim ersten Zyklus hat sich mein Port entzündet und er musste rausoperiert werden. In der Aplasie bekam ich zudem noch hohes Fieber, deshalb dann auch hochdosierte Antibiotika. Nach dem Anwachsen der Stammzellen und der erneuten Blutbildung (in Zeiten der Aplasie war ich auf Bluttransfusionen und Thrombozyten-Infusionen angewiesen) musste ich zur Apherese, da auf einmal festgestellt wurde, dass ich zu wenige Stammzellen auf Vorrat hätte. Dies waren dann drei Sitzungen mit jeweils ca. 4 Stunden, es gibt angenehmeres....
Am Ende dieses ersten Zykluses ging mir dann auch die Haut an den Händen und Füßen fetzenartig runter. Die Häutung zog sich ungefähr drei Wochen hin, zum Glück blieben meine Nägel unversehrt - hätten auch ausfallen können.
Eine Woche Pause und dann ab zum zweiten Zyklus, gleiches Schema. In der Aplasie wieder mal Fieber bekommen, der gleiche Keim wie beim ersten Mal: aus dem Darm. Die Chemo zerstört die Schleimhäute und die Barriere zwischen Magen und Darm bzw. Blutkreislauf ist sehr "löchrig". Also wieder Antibiotika, bekommt man ja sowieso immer bei ner Chemo, rein prophylaktisch. Diese aber wieder hoch dosiert und im übrigen war dies auch die einzigste Antibiotika, die noch helfen konnte. Tat sie dann auch. Übliche Probleme wie Durchfall, Kreislauf, Übelkeit...muss ich gar nicht extra erwähnen.
Letzter Zyklus!
Mit Darmblutungen gestartet, störte die Giftmischer aber nicht, rein mit dem Zeugs! In der Aplasie habe ich mich beurlaubt und wurde am selben Abend mit hohem Fieber mit dem Krankenwagen wieder nach Ulm in die Notaufnahme gefahren. Dort dann wieder notdürftig aufgepäppelt und danach ab auf Station. Durchfall hatte sich seit dem zweiten Zyklus nicht gebessert. Hatte auch wieder den gleichen Darmkeim, ein guter alter Bekannter....und mehr als einmal die Hosen wortwörtlich voll...
Dann ging es endlich nach Hause, alle drei Zyklen abgeschlossen. Fand bei meiner Schwester Unterschlupf, Patrick räumte sein frisch renoviertes Zimmer für mich. Hatte enorme Probleme mit dem Darm, Kreislauf, Übelkeit, Erbrechen...eigentlich mit allem.
Achja, nicht zu vergessen die ambulanten Termine im MVZ Göppingen, da ich nichts trinken konnte und mir deswegen Flüssigkeit per Tropf zugeführt wurde.
Nach nem Klogang (waren täglich ca. 15-20 Stück) bin ich zusammengeklappt. Meine Schwester war zum Glück gerade da und drückte mich gegen die Wand, bis Janick ihr zuhilfe kam. Da hat doch tatsächlich mein Kreislauf versagt, prinzipiell ein schönes Gefühl, für den kurzen Moment des weggetreten seins. Am Abend hat dann Matthias Dr. Gold organisiert, der mich dann per Krankenwagen nach Göppingen in die Klinik liefern ließ.
Dort durfte ich dann ein paar Tage mit Antibiotika, Herzultraschall, Magenspiegelung verbringen, der Durchfall war immer noch zugegen. Dann Entlassung, Zuflucht bei meiner Mutter gefunden. In diesen Zeiten war es für mich schon eine Höchstleistung, meine Tabletten zu schlucken. Eine Woche später wieder über die Notaufnahme nach Göppingen in die Klinik am Eichert. Wieder Antibiotika + Virostatika, zwei Darmspiegelungen und nach drei Wochen war auch dieses Kapitel abgeschlossen. Ich war nun endlich wieder zuhause, bei mir und für mich. Endlich wieder die gewohnte Privatsphäre nach über einem Jahr Überwachung im Krankenhaus.
Im September ging es dann endlich für vier Wochen zur Reha nach Boltenhagen. Dort konnte ich dann nach zwei Wochen wenigstens zwei Treppen-Stockwerke im Schneckengang hochlaufen, war schon ein Riesenerfolg für mich. Bin deshalb seit vier Wochen hier im Fitness-Studio angemeldet und merke auch schon die ersten Erfolge.
Nach der Reha gönnte ich mir dann ein Vielzahl von Ausflügen: Deutschlandsberg, Graz, Sulzfeld, 1899 Hoffenheim, Christina Stürmer, Schwarzwald, Stuttgart u.a. mit Helene Fischer und Musical im SI-Centrum, Frisch-Auf-Göppingen, im Januar 2014 dann nach Borkum...habe immer noch sehr viel nachzuholen. Viele dieser Tätigkeiten machten mir im Anschluss größere Probleme, wie z.B. Schnupfen, Husten, enorme Abgeschlagenheit....aber von nichts kommt nichts und ich will raus, komme mir vor wie ein ausgetrockneter Schwamm (ach ja, deshalb auch Golanhöhen ;-)...
Dies alles nur mal als sehr kurze Abhandlung der diesjährigen Ereignisse, es steht ja eh alles in meinem Tagebuch.
Man hört öfters, dass sich die Bekannten im Laufe einer Krankheit entfernen, den Kontakt einschlafen lassen, dies kann ich gar nicht bestätigen. Bei mir kamen neue Kontakte hinzu, alte wurden wiederbelebt. Ich durfte viel Positives in dieser Zeit erfahren, trotz dem ganzen Höllenritt. Es ist zwiespältig, um etwas zu gewinnen, muss man ab und zu sehr viel riskieren - bei mir klopfte der Sensenmann mehr als einmal an. Deshalb (mit einem Augenzwinkern und trotzdem in tiefster Demut, heute noch leben zu dürfen) das Zitat eines unbekannten Verfassers:
"Die Guten sterben immer zuerst. Man muss sich schämen, wenn man noch lebt."
Nur ein Ereignis möchte ich noch ganz besonders hervorheben, es war etwas ganz besonderes: Die Herzballonaktion in der Klinik am Eichert im Juli. Diese Überraschung, diese Freude emotional aufs Papier zu bringen, ist nicht möglich, es war einer der bewegendsten Momente meines Lebens und dies gerade in der Zeit, wo es mir am schlechtesten ging.
Ich wünsche Euch allen ein schönes Weihnachtsfest, einen schönen Silvester und natürlich ein gesundes 2014 - und trotzdem: "Früher war mehr Lametta...."