Zuhause, warten auf den Anruf aus Ulm
Wieder einmal eine bekannte Situation: Geduld haben und warten. Was wird der Anruf bringen, muss ich gleich den Koffer packen und ab nach Ulm? Es ist nicht gerade aufbauend, was soll ich tun: kann nichts ausmachen, lebe von Tag zu Tag und weiss nicht, wo ich morgen oder übermorgen bin. Jetzt groß einkaufen zu gehen, hat keinen Sinn, denn wer soll es essen? Zudem schlagen mir die Tabletten (Aciclovir) gegen die Windpocken auf den Magen und machen mich im Allgemeinen sehr träge und langsam - hauptsächlich im Kopf. Da wird jetzt halt langsam alles zusammenspielen: Chemo des letzten Jahres, Lungen-OP, Chemo von diesem Jahr und die Windpocken. Es fehlte komplett die Zeit, mich "fachmännisch" zu mobilisieren, den gesamten Kreislauf zu stabilisieren (auch wenn meine Physio stellenweise Wunder vollbrachte, "Danke", Frau Hafner).
Kreislauf, ja Dich kenne ich erst seit meinem ersten Chemozyklus letzten Jahres und Du hältst Dich auch sehr konsequent und hartnäckig, um regelmäßig auf Dich aufmerksam zu machen - große Freunde werden wir in diesem Leben garantiert nicht mehr!
Habe mich aber heute schon vorsorglich von meinem "Winterpelz" getrennt - ein Gorilla wäre wahrscheinlich schneller rasiert....will bei der evtl. anstehenden Chemo nicht aussehen wie ein Flickenteppich. Zudem wird man in der Klinik auch immer wieder "bepflastert" - sagt mal: wie könnt Ihr Euch nur wachsen.....schon das Pflaster abzuziehen hat Tränenfaktor ;-).
Achja, gestern hieß es immer: wir haben kein Zimmer frei - von nem Bett wurde nie gesprochen...heißt das, dass ich dann gleich in Einzelhaft komme? Und gestern schon der Geruch der Essenswagen, da habe ich schon gegessen, es ekelt mich, wenn ich nur daran denke.
Das Thema "Essen" wird das Tagbuch ewig begleiten. Es ist etwas was einem Chemo-Patient sehr viele Probleme, aber auch Freude machen kann. Gerüche können extreme Übelkeit auslösen, das Pflegepersonal "duftet" deswegen auch nicht.
Man sinniert und stellt sich vor, wie gerade dieses Essen schmecken würde, hat Appetit darauf und will es sofort essen - zehn Minuten später bekommt man keinen Bissen mehr herunter. Zum Glück haben wir das Thema "Essen auf Rädern" schon geklärt - mein Schwager Markus leitet die Gastronomie der WMF in Geislingen und wird mich täglich mit hoffentlich Leckerem versorgen (bitte keine Kutteln).
Hochdosis-Chemo zerstört im Prinzip alles: das Immunsystem ist bei null, jeder Schnupfen kann tödlich sein, jedes Fieber genauso...deswegen werden diese Behandlungen in der Schleusenstation durchgeführt - gereinigte Luft und somit wenig Chancen für Viren und so Zeugs....
Nach dieser Hochdosis wird bei einem der Knopf "Reset" gedrückt - dies geht dann nur mit Stammzellen, die jeder im Blut hat - wenigstens vor ner Chemo.
Stammzellen wurden mir deshalb schon bei der letzten Chemo (2012) genommen. Die bekomme ich dann nach der Hochdosis wieder verabreicht - autologe Transplantation, da es meine eigenen sind, alternativ gibt es auch die allogene Transplantation (Fremdspender). Diese werden durch eine Art Blutwäsche gewonnen, über Schläuche läuft das Blut in die Apparatur, wird gefiltert und einem wieder zugeführt. Der ganze Vorgang dauerte bei mir 2x4 Stunden, zum Glück ohne Komplikationen.
Habe um 14.30 Uhr in Ulm angerufen, "meine" Schwester Julia war am Telefon (komisch, alle Julias die ich kenne, sind attraktiv und nett;-): Die Ärzte wären in einer Besprechung und sie würde ihnen Bescheid geben, dass sie den Rückruf nicht vergessen - jetzt ist es 19.40 Uhr.....
Habe ehrlich gesagt damit gerade kein Problem, bin eh müde und äußerst antriebslos. Es fällt mir sogar schwer die Tastatur zu bedienen, meine Finger sind heute Abend ziemlich taub. Der Magen rebelliert nach jedem Essen, es gluckert und grummelt und ich muss schnell springen. Heute Nachmittag war meine Mutter mit meinem kleinsten Neffen Ben-Erik da (der ist gerade sowas von süß ;-), danach war ich aber reif fürs Bett, mein Körper macht im Moment einfach nicht mit.
Mal schauen ob ich morgen etwas erfahre, werde gegen 10 Uhr in Ulm anrufen.