Zuhause, schwelgen in Erinnerungen
Habe mir, nach langer Zeit, mal wieder meine "Reha-Heftchen" angeschaut. Am Ende jeder Reha ging ein A5-großes, gebundenes Heft durch die Reihen der Reha-Teilnehmer. Jeder sollte dem Besitzer des Heftchens etwas Persönliches reinschreiben. Ich habe gestern mit viel Wehmut die ganzen Einträge meiner drei Rehas gelesen. Diese Geborgenheit, diese Unbeschwertheit, diese Nähe, die wir in den Rehas erleben durften....unbeschreiblich.
Aus meiner Reha 04/2002 finde ich diesen Spruch sehr vielsagend, "wärmend" und wunderschön (Danke Dir Nölli, seitdem weiss ich auch, dass Gothic`s ganz sympathisch sein können ;-):
Die wunderbaren Momente,
die Du auf keinem Bild hast,
die nirgendwo beschrieben sind,
die sind es, die wirklich zählen...
Habe mich gleich ans Internet gesetzt und unsere damalige Katha(rinenhöhe)-Psycho-Tante Sabine angeschrieben. Sie hat uns (Bernd, Kerstin, Elke und mir) am letzten Familienfest der Katha die Polaroid-Gruppenbilder meiner Rehas gezeigt. Hoffe, sie findet sie noch und kann sie mir einscannen.
Es zieht mich immer wieder nach Schönwald zurück, Schwarzwaldromantik pur. Der Klingelton meines Handys ist die Titelmelodie der Schwarzwaldklinik. Stopp! Nicht lächeln! Es muß nur ein paar Sekunden klingeln und jeder fängt an zu lachen und mitzusummen. Es scheint also ne sehr beliebte/bekannte Serie gewesen zu sein ;-). Dann geht es auch schon weiter mit den "Fallers", die in Schönwald spielen.
Und mein persönliches Highlight: Duravit in Hornberg! Die stellen Sanitärkeramik, Badewannen, Saunen....her. Da "durfte" ich (eher weil ich "musste") ein Dusch-WC in Beschlag nehmen - Besuchertoilette im 5.Stock der Ausstellung. Alleine dafür lohnt sich die Anfahrt. Zusammenfassend: man braucht kein Zipfelchen Klopapier nach verrichteter "Notdurft", egal ob Frau oder Mann, alles einstellbar (Wasserstrahl/-wärme, Fön....). Bin gelernter Gas/Wasser und deswegen für so etwas sehr leicht zu begeistern, sorry....habe 20min gebraucht, bis ich alles getestet hatte....
Das "Klosterstüble" und der "Falken" in Schönwald - wieviele Abende haben wir da verbracht, wieviel Geld haben wir da liegenlassen...die "Alte Post" in Schönwald, da roch man das Klo schon am Eingang, aber Super-Party am Fasching `99, holten Torben aus seinem Rollstuhl und tanzten mit ihm zu "Griechischer Wein" Sirtaki (was Alkohol so alles ausmachen kann) ....der "Brauer" in Schonach ...die bierseligen Runden auf der Katha nach dem Sport ... die "Französische Nacht" in Schönwald ...die Nächte im Strandstuhl auf dem Balkon unserer Zimmer, eingemummelt in Decken und den Sternenhimmel bewundert (Schönwald liegt auf über 1000m und ist nachts komplett dunkel; unbeschreiblich, wieviel Sterne man da sieht) ...Elke, unser grandioses und unvergessliches "Duffy-Fest" (1999) beim Reinertonishof (mit dem Olympia-Sieger/Skiweltmeister Christof Duffner, O-Ton: "do lieg i nochher bsoffa in dr soichrinn")...alles legendär, alles Vergangenheit...es weckt sehr viele Erinnerungen, wehmütig, aber schön....Die wunderbaren Momente....
Die Nacht ist vorbei, schlafen war sehr schwierig. Bin immer wieder mit nem Husten aufgewacht, bin auch leicht verschleimt. Das Kribbeln in den Fingern war heute morgen wieder sehr intensiv, hat sich aber nun wieder beruhigt. Mein Kreislauf ist bisher noch relativ stabil, ich glaube, er weiß selber noch nicht, ob er kippen soll oder nicht... bißerl wackelig auf den Füßen und (bisher) keinen Appetit.
Wäre heute mit meiner Mutter bei ihren sehr lieben Freunden Diana und Gerhard + Andrés in Stuttgart zum Mittagessen eingeladen. Sie wohnen sehr schön, mit einem tollen Blick über den Stuttgarter Talkessel. Ich durfte mir sogar das Essen aussuchen, entschied mich für das argentinische Hackfleischgericht - Diana ist gebürtige Argentinierin.
Es wäre für mich heute aber geistig und körperlich zuviel gewesen mitzugehen, habe deshalb Mutter mit Tupper ausgestattet. Diana, ich hoffe, es lohnt sich darauf zu warten....es hat sich gelohnt, war sehr lecker!
Werde mir dann gemütlich die Bundesligaspiele anschauen (Danke Dir Bernd) und auf einen Dortmunder Sieg hoffen - wegen meiner Hoffenheimer.
Nun kommt auch noch das altbekannte Durstgefühl hinzu. Kann trinken was ich möchte, es ist immer da. Dies war bei allen Chemos bisher so, ist sehr störend. Bin im Moment auch nur noch bedingt aufnahmefähig, der Kopf macht nicht mit. Bin erschöpft und müde, kann aber nicht schlafen. Innerlich ist alles durcheinandergewirbelt, kein fester Rhythmus mehr vorhanden. Diesen Verlauf kenne ich noch, der erste Tag nach dem Krankenhaus war ok, die anderen drei Tage hing ich durch. Ich muss sagen: Dies ist das Nervigste nach der Chemo, diese Lethargie, dieses nur rumliegen, dieses allgegenwärtige Durstgefühl, welches nicht zu befriedigen ist - es nervt mich, es kotzt mich an!!!!!!!
Ich kann einfach nichts planen, da ich nicht weiß, wie es mir am nächsten Tag geht. Kann nicht mal einkaufen gehen, da ich kein kaltes Lenkrad anfassen kann. Selbst eine Glasflasche kann ich nicht lange halten, da sie mir die Wärme aus den Fingern zieht und diese dann schmerzen.
Eigentlich ist dies alles nicht erwähnenswert, wenn man bedenkt, was noch auf mich zukommt. Ob ich resigniere? Nein, das tue ich bei Weitem nicht, es lässt mich nur demütig in die Zukunft blicken. Zum Glück verfüge ich über eine äußerst stabile Psyche, jedoch bin ich mal sehr gespannt, wie belastbar sie sein wird.
Im Krankenhaus bieten sie eine Betreuung durch Seelsorger und Psychologen an. Dies wird in Zeiten der Hochdosis bestimmt ein Thema werden. Den ersten Kontakt mit Psychologen hatte ich 1999 in meiner Reha auf der Katha. Natürlich war ich mit Vorurteilen behaftet, von wegen Couch und so....weit gefehlt!
Sie bauten eine angenehme Gesprächsatmosphäre auf (Danke Dir Thomas), ganz unverbindlich und ungezwungen bei Kaffee und Keksen. Wir saßen einfach da und plauderten, das war es dann auch schon - nicht weniger, aber im Nachhinein sehr viel mehr.
Wenn man gedanklich blockiert ist, sich in irgendetwas verrennt hat, wenn man selber keinen Ansatz mehr findet, um sich aus dem "Loch" zu ziehen, dann können Psychologen/Seelsorger/Sozialarbeiter eine wahnsinnig wertvolle Hilfe sein. Sie müssen im Gespräch nur an ganz bestimmten Stellen ansetzen, um die Gedanken des Gegenübers in eine neue Richtung zu lenken.
Bin am Überlegen, ob ich mir diese Hilfe im Krankenhaus hole, solange es mir noch gut geht und sie eigentlich noch gar nicht brauche. Stelle es mir sehr viel angenehmer vor, wenn man sich schon im Vorfeld "beschnuppert" hat. Zudem kennt man sich schon ein wenig und er/sie kann mich wieder an meine positive Einstellung heranführen, wenn sie mir abhanden gekommen ist - weiss, wo er ansetzen kann, was mir wichtig war/ist.
Nochmal auf das stetige Durstgefühl zurückzukommen, stellt es Euch so vor: Ihr habt Durst und freut Euch z.B. auf ne Spezi. Also eingeschenkt und getrunken, lecker war sie. Euer Durstgefühl ist dadurch befriedigt, Ihr fühlt Euch wohl. Gerade dieses "Wohlfühlen" nach dem Trinken habe ich momentan nicht mehr. Es ist schwierig zu beschreiben, es fühlt sich sehr befremdlich an.
Achja, ich beklagte den mir "fehlenden Rhythmus", seit heute Abend habe ich wenigstens ein wenig davon wiedergefunden: vom Bett, aufs Klo und zurück. Da soll ich meine Nieren spülen, habe Durchfall und Probleme mit dem Trinken - und da waren sie wieder, meine drei Probleme (ein Filmspruch für Insider;-).